Aus dem Tagebuch Marys

Oh ihr Menschen, die ihr euch so schlau und selbstherrlich benehmt, wie blind erscheint ihr anderen. Die Dunkelheit kriecht in ihr Versteck zurück und überlässt der Helligkeit den Platz. Doch wer mag schon sehen, was die Tage bringen in einer Zeit, in der niemand leiden müsste, in der die Wissenschaft so unendlich viel Erkenntnisse erlangt hat und doch gerade am Anfang steht…. . Er ist zurück und noch ahnt niemand seine Anwesenheit, denn er bewegt sich zwischen den Zeiten. Noch hat er keine wahre Gestalt angenommen, ist nur ein flüchtiges Teilchen unter vielen. Doch wenn ein Teilchen sich zum nächsten schmiegt wird er wachsen und Kraft und Wissen bekommen. In seinem Kern liegt alles, was die Menschheit bisher vermag und alles darüber hinaus, was sich noch niemand vorzustellen vermag. In seinem Schatten werden wir alle erblasen und uns klein und ohnmächtig fühlen und selbst die Zweifler werden erkennen, dass die Wissenschaft nicht immer dem Menschen zugute kommt, sondern auch Gefahren birgt, die richtig zu verwenden in der Verantwortung des Menschen liegt.

Noch vor dem Licht bin ich heute morgen erwacht und mir kam der Gedanke: Ich werde das Teilchen Adam nennen, so der Name des ersten Menschen auf der Welt laut Bibel. Kleiner als der Splitter eines Atomkernes flitzt Adam seit seiner Freilassung in Cern durch Raum und Zeit. Von niemandem bemerkt ist er auf der Suche nach einer Verbindung, die er eingehen wird, um daraus neues Leben entstehen zu lassen.  Zweihundert Jahre ist es her, da Mary Shelley sich mit dem erschaffen von Leben befasste. Damals zählte die Elektrizität zu den neuesten Erkenntnissen. Heute ist die Wissenschaft mit der KI beschäftigt. Beides wird dieses Teilchen nutzen.

Heute morgen scheint alles so friedlich. Nur ganz in der Ferne höre ich ein Kind weinen. Was wohl der liebe Percy macht? Der Doctor ist schon seit Wochen verschwunden. Ich ahne, er wird wieder an seinen Forschungen sitzen. Heute werde ich einen Tag pausieren, meine Gedanken neu sammeln, denn die Geschichte Adams verwirrt mich zunehmend. Es ist, als würde sich das Teilchen mittlerweile selber schreiben.

die scham des prometheus

die Vertreter des Transhumanismus, wie der Schwede Nick Bostrom, träumen vom Download des Geistes in überlegene Maschinen. “Wir können die natürliche Evolution des Menschen durch eine gerichtete Evolution ersetzen”, heißt es bei Bostrom. Hinter diesem Denken verberge sich die Vorstellung von der Evolution als schlechtem Ingenieur, die vom technikgläubigen Optimierungszwang des Neoliberalismus geprägt sei, sagt der Wissenschaftsphilosoph Alfred Nordmann. “Da spielt eine prometheische Scham mit, dass der Mensch nicht so gut ist wie seine technischen Erzeugnisse.”

Der Transhumanismus mag als fixe Idee in die Geschichte eingehen, der Gedanke einer gerichteten Evolution hat es jedoch längst in den Mainstream der biotechnischen Zukunftsvision geschafft. “Der Mensch ist die erste Art, die direkt in ihr eigenes Genom eingreifen kann”, sagt Max-Planck-Forscher Jean-Jacques Hublin. “Ich bin überzeugt davon, dass der Mensch der Zukunft die Evolution seines Genoms beeinflussen wird.” Was als Begutachtung des Genmaterials in der Präimplantationsdiagnostik begann, könnte über die Veränderung des Embryonen-Genoms mittels Keimbahntherapie eines Tages Alltag werden. Für den Bioethiker Giovanni Maio von der Universität Freiburg wäre das ein bedenklicher Bruch mit dem Geist der Aufklärung, dank der die Unverfügbarkeit des Menschen zu einem Grundrecht wurde. “Die Manipulation eines Genoms bedeutet, dass ein Mensch den anderen steuert und diesem seine Definition von einem guten Leben aufzwingt”, sagt Maio. “In der Evolution hingegen interveniert keine ideologisch aufgeladene Vorstellung vom guten Leben.”

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